Pressemitteilung
06.05.2016
Landesentwicklungsprogramm (LEP) und Windkraftanlagen
Der Koalitionsvertrag in Rheinland-Pfalz ist für die Menschen, den Natur- und Landschaftsschutz enttäuschend und singt das Lied einer falschen Energiewende
„Den Koalitionspartnern ist es leider nicht gelungen, substanzielle Veränderungen beim planlosen und unkontrollierten Ausbau der Windenergie festzulegen, um Landschaften, Wälder, Wildtiere und Lebensräume für Tiere und Menschen zu schützen“, erklärte Harry Neumann, Landesvorsitzender der NATURSCHUTZINITIATIVE e.V.
„Zwar begrüßen wir es, dass in der ‚Übergangszeit‘ bis zu einem neuen Landesentwicklungsprogramm (LEP) die neuen Ziele durch das Instrument der Untersagung raumordnungswidriger Maßnahmen abgesichert werden und damit unmittelbar nach Amtsantritt der neuen Landesregierung zur Grundlage für alle Genehmigungsverfahren werden sollen. Diese Ziele reichen aber bei weitem nicht aus, um eine dringend notwendige Korrektur in Rheinland-Pfalz einzuleiten. Mit dieser Vereinbarung ist lediglich ein erster ‚Einstieg in den Ausstieg‘ einer falschen Energiepolitik erreicht worden“, betonte Dr. Ulrich Althauser, stv. Landesvorsitzender.
Die unrealistische Zielvorgabe, bis 2030 bilanziell den kompletten Stromverbrauch in Rheinland-Pfalz durch sogenannte Erneuerbare Energien abzudecken, wird endlich fallen gelassen. Dies begrüßen wir. Allerdings wird die willkürlich festgelegte „Zwei-Prozent Fläche für Windkraft, auch im Wald“ nach wie vor auf kommunaler Ebene zu einer weiteren kleinräumigen Planung führen. Dies zum Leidwesen von Mensch, Natur und Lebensräume vieler geschützter Tierarten.
Bis auf wenige Ausnahmen gibt es auch weiterhin keinen Pauschalschutz für den Arten- und Landschaftsschutz, es wurden kaum über den noch gültigen Koalitionsvertrag hinaus weitere Ausschlussflächen für Windkraft festgelegt.
Die NATURSCHUTZINITIATIVE hält dies für verantwortungslos, zumal die Planungshoheit weiter bei den Kommunen bleibt.
Die Vereinbarungen zu den Vogelschutzgebieten bringen keinen nachhaltigen Schutz, da die dafür infrage kommenden Flächen viel zu klein sind. Selbst in diesen Schutzgebieten verschlechtern sich die Erhaltungszustände, z.B. bei den Wiesenbrütern, dramatisch, da die Landesregierung ihren Verpflichtungen nicht nachkommt.
Für keine andere Vogelart haben die Länder der Bundesrepublik eine so strenge Schutzverpflichtung wie für den Rotmilan, die regelmäßig versucht wird mit Hilfe von Gefälligkeitsgutachten zu umgehen.
Im Gegensatz zu Rheinland-Pfalz haben die meisten anderen Bundesländer nach aufwändigen Kartierungen der Brutvorkommen Großschutzgebiete für den Rotmilan ausgewiesen. Im Zuge eines Mahnverfahrens hat Rheinland-Pfalz 2009 der EU den Kompromiss abgerungen, statt der Großschutzgebiete für den Rotmilan ersatzweise ein fundiertes Artenschutzkonzept für die Art auszuarbeiten und umzusetzen. Sieben Jahre danach liegt noch nicht einmal eine brauchbare Erfassung der Bestände vor und das versprochene Schutzkonzept steckt offenbar noch in den Kinderschuhen und wird nicht konsequent umgesetzt. Der Bau von weiteren Windindustrieanlagen gefährdet mittlerweile die Population des Rotmilans, z.B. im Kreis Birkenfeld. Dies stellt einen Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz dar.
Neue wissenschaftliche Untersuchungen belegen eindeutig, dass u.a. die Populationen von Rotmilan, Mäusebussard, Schwarzstorch und Fledermäusen durch den Ausbau der Windenergie massiv gefährdet sind und eindeutig zurückgehen. Alleine beim Rotmilan geht man bundesweit von 1.000 Schlagopfern aus, davon sind 90% brütende Altvögel. Beim Mäusebussard ist bundesweit von 10.000-12.000 Schlagopfern pro Jahr auszugehen, bei Fledermäusen jährlich von über 300.000. Die Dunkelziffern sind immens hoch. Auch Singvögel leiden unter dem rücksichtslosen Ausbau und gehen in ihren Beständen dramatisch zurück oder werden von ihren Brutplätzen vertrieben, bei der Waldschnepfe z.B. um bis zu 90%.
Nach der neuen „Progress-Studie“ im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums ist selbst der Mäusebussard mittlerweile als Art gefährdet.
Wissenschaftler sprechen daher schon von einem „Biodiversitäts-Desaster“.
„Alte Laubholzbestände von der Windkraftnutzung auszunehmen ist richtig, aber zu kurz gedacht und zu allgemein formuliert. Wälder müssen grundsätzlich zu Ausschlussgebieten erklärt werden, da sie das natürlichste Biotop darstellen und unersetzbare Lebensräume für unsere Wildtiere wie z.B. Schwarzstorch, Wildkatze, Luchs und Rotwild darstellen. Wir sind mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem die sogenannten Erneuerbaren Energien die Biologische Vielfalt, Landschaften und Lebensräume in großem Stil zerstören“, machte Gabriele Neumann, Vorstand und Wildkatzenexpertin unmissverständlich deutlich.
Bei den Wasserschutzgebieten der Zone II wurde sogar eine Verschlechterung zu den bisherigen Regelungen festgeschrieben, da diese bislang neben denen der Zone I praktisch ausgeschlossen waren.
„Der derzeitige Bau der ineffizienten Windindustrieanlagen im Wald ist der seit Jahrzehnten größte und verantwortungsloseste Eingriff in diesen Lebensraum. Auch Vogelschutz- und FFH- Gebiete, Naturparke, Landschaftsschutzgebiete und Wälder müssen von einer Industrialisierung frei gehalten werden, um die Ziele der Biodiversitätsstrategie erreichen zu können. Diese Form der „Energiewende“ ist ein reines Subventionsmodell für die Windlobby und eine der größten Gefahren für den Schutz der biologischen Vielfalt“, erklärte Harry Neumann.
„Windindustrieanlagen sind ineffizient, nicht grundlast- und speicherfähig und brauchen fossile Schattenkraftwerke aus Kohle- Gas- und Atomenergie. Ihr Beitrag zum Bruttoenergieverbrauch liegt bei nur ca. 1,8 %. Die Zerstörung unsere Landschaften und Wälder für diesen marginalen Beitrag ist verantwortungslos. Hinzu kommt, dass jedes Windrad indirekt den CO2 Ausstoß erhöht und somit keinen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Trotz des immensen Zubaus an Windindustrie steigt der CO2 Ausstoß sogar weiter an. Hier hätten wir eine deutliche Korrektur erwartet, zumal es sich um ein planwirtschaftliches Instrument handelt“, betonte Sylke Müller, stv. Landesvorsitzende.
Auch die Erhöhung der Abstände auf 1000/1100 Meter bezieht sich nur auf die Wohngebiete und wird nur ca. 9% der bisher geplanten Anlagen betreffen, das sind lediglich 64 von 699 Anlagen, die sich derzeit im Genehmigungsverfahren befinden. Die viel zu geringen Abstände zu Splittersiedlungen wurden nicht angepasst. Dies hält die NATURSCHUTZINITIATIVE für völlig unzureichend. Viele Kommunen hatten bereits sogar höhere Abstandsregeln in ihren Flächennutzungsplänen festgelegt, so dass diese Vereinbarung nicht als eine wesentliche Korrektur angesehen werden kann. Darüber hinaus gelten die neuen Abstandsregelungen nicht für Verfahren, die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz durchgeführt werden.
Die Festlegung der „Historischen Kulturlandschaften“ durch die alte Landesregierung wird leider kritiklos übernommen und nicht neu bewertet, obwohl diese willkürlich festgesetzt wurden. Historisch wertvolle Mittelgebirgslandschaften wie das Nahe-Bergland, der Hunsrück, die Eifel und der Westerwald werden nicht als Historische Kulturlandschaften betrachtet und sollen offensichtlich auch weiterhin in Industriegebiete umgewandelt werden.
„Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Windkraft müssen gänzlich neu bewertet werden und dürfen in den Genehmigungsverfahren nicht mehr länger hingenommen und monetär ausgeglichen werden können. Wir erwarten daher von der neuen Landesregierung, dass sie den Wert und den Schutz von Landschaften und Lebensräumen wieder verstärkt in den Focus ihres Handelns nimmt und auch Landschaftsschutz wieder als Natur- und Menschenschutz begreift“, betonte Sylke Müller, stv. Landesvorsitzende.
Der aktuell vorliegende Entwurf des Koalitionsvertrages ist in Bezug auf die Windkraft eine Enttäuschung und eine Katastrophe für Mensch und Natur. Die NATURSCHUTZINITIATIVE fordert daher dringende Korrekturen und Genehmigungsverfahren ein, die sich strikt an die vorliegenden Fachkonventionen wie z.B. dem Helgoländer Papier der Vogelschutzwarten oder den Empfehlungen des Bundesamtes für Naturschutz halten.
Auf Bundesebene ist die Abschaffung der Privilegierung der Windenergie nach dem Baugesetzbuch (§ 35) sowie des planwirtschaftlichen Instrumentes EEG längst überfällig.
Die alternativen Energien müssen sich ohne Subventionen dem freien Markt stellen. Dem Energieeinsparen muss eine viel größere Rolle beigemessen werden.